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Mit der Mark Klamotten kaufen: Privat-Initiative im Modehaus

Printausgabe vom 02.01.2004 (zurück zur Euro-Übersichts-Seite)

Mit der Mark Klamotten kaufen: Privat-Initiative im Modehaus

Von Wolfgang Ettig

Neu-Anspach. "Gern nehmen wir Ihre Mark in Zahlung." Wer diesen Slogan etwa bei einer Bank oder Sparkasse vermutet, irrt gewaltig. Die Zeiten, in denen Kreditanstalten die alte Währung noch angenommen haben, gehören bereits – wie die Währung selber – der Vergangenheit an. Kein Mensch bezahlt heute noch in Mark.

Oder doch? Helmut Becker, Inhaber von "Hellos Modehaus" sieht das anders. Bei ihm ist die gute alte Mark nach wie vor noch etwas wert. Beckers Kunden können ihre Einkäufe in seinem Geschäft wahlweise in Euro oder in der alten Währung bezahlen. "Die Leute sparen sich so den Weg zur Landeszentralbank nach Frankfurt, es lohnt sich ja kaum, wenn man irgendwo noch 20 oder 30 Mark findet", argumentiert Becker.

Und in der Tat, dieser Service hat sich in der Kleeblattgemeinde und Umgebung herumgesprochen. Etwa drei Mal pro Woche stehen Kunden mit dem ehemaligen Zahlungsmittel vor der Kasse. Dabei spielt es keine Rolle, ob mit Geldscheinen, Münzen oder, was gelegentlich auch vorkommt, mit Sonderprägungen aus Sammlungen bezahlt wird. "Wir akzeptieren alles, was die Landeszentralbank ebenfalls akzeptiert", preist Becker seinen Service an. Vor wenigen Tagen kam eine ältere Dame mit einem ganzen Plastikbeutel voller Mark, Groschen und Pfennigen, den sie in einem Entrümpelungscontainer auf der Straße gefunden hatte, erzählt der Geschäftsinhaber kopfschüttelnd.

Diesen hatte seine Geschäftsidee vor rund einem Jahr übrigens noch in arge Schwierigkeiten gebracht. Denn blitzartig hatte sich herumgesprochen, dass "Hellos Modehaus" die alte Mark akzeptiert, und eine anonyme Anzeige bei der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes in Bad Homburg bescherte ihm prompt eine Abmahnung. Die Begründung: Der Unternehmer verstoße gegen das Euro-Einführungsgesetz, nach dem die alte Währung nur noch bis zum 28. Februar 2002 als gesetzliches Zahlungsmittel gegolten habe. Zudem verschaffe er sich auf diesem Wege einen Wettbewerbsvorteil. Helmut Becker war zunächst genauso geschockt wie seine Kunden und weigerte sich, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, die ihm bei Zuwiderhandlung 3000 Euro Strafe androhte. Er habe, so seine Gegenargumentation, die Mark nicht als Zahlungsmittel akzeptiert, sondern lediglich als Gegenstand in Zahlung genommen. "Hier wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen", findet er heute. Und die Aktion – als Service für die Anwohner gedacht – bescherte ihm wenig später einen werbewirksamen Medienrummel. Pfiffig deklarierte er seinen Service in eine "Privat-Initiative" um, und fortan hing für die Neu-Anspacher und alle die es wissen wollten, ein Hinweis auf seine "Kleingeld-Sammel-Umtausch-Aktion" im Schaufenster: Becker tauschte nicht mehr als Geschäftsmann sondern als Privatmann um.

Die Zeit arbeitete für ihn, denn bereits wenig später erging in einem ähnlichen Fall ein richterliches Urteil, welches die Bezahlung in der alten Währung, sofern dies der Ladenbesitzer akzeptiert, als unbedenklich bescheinigte. Seitdem läuft das Kassensystem in seinem Modehaus auf zwei Währungen. Und glaubt man den Aussagen der Landeszentralbank, dass bundesweit derzeit noch etliche Milliarden Mark im Umlauf sind, so wird dies noch eine ganze Weile so bleiben. Heute kann der Geschäftsmann über die Aufregung nur noch schmunzeln: "Wenn ich im Nachhinein wüsste, wer mich damals angezeigt hat, würde ich ihm nachträglich einen großen Blumenstrauß schicken", sagt Becker augenzwinkernd.


Taunus Zeitung

Taunus Zeitung (original Artikel)